Anästhesie in Armuts- und Notstandsgebieten

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Der Uganda-Blog

Dezember 2022

Im Gespräch mit Julia Heuck

Über Dankbarkeit und Selbstwahrnehmung

Frisch zurückgekehrt vom zweiten Interplast-Einsatz im ugandischen Jinja wirft Apothekerin Julia Heuck für sich und ihre Kolleginnen und Kollegen im Interview einen Blick zurück auf das vergangene Jahr.

Frau Heuck, erinnern Sie sich noch an Tag 1 ihres ersten Aufenthaltes?

Julia Heuck: „Ich war nie vorher auf dem afrikanischen Kontinent und war deshalb von den vielen neuen Eindrücken sehr tief beeindruckt. Nach der Rückkehr in die Heimat gab es später schon so etwas wie einen milden Kulturschock. Viel mehr Menschen sollten die Gelegenheit haben, zu erfahren, wie gut wir es in unseren Breitengraden in vielerlei Hinsicht haben.“

Was genau konnten Sie dort bewirken?

Julia Heuck: „Wir haben beim zweiten Aufenthalt im Lamu-Hospital in Jinja insgesamt 30 Patienten mit völlig unterschiedlichen Verletzungen zunächst persönlich treffen, dann medizinisch begutachten und schließlich auch behandeln können. Besonders für die Kinder konnten wir viel bewirken, denn diese werden mit teilweise ungewöhnlichen Verletzungen dort schnell stigmatisiert und ausgegrenzt. Da ist das Schicksal leider schon in jungen Jahren vorgezeichnet.“

Was hat Sie besonders beeindruckt?

Julia Heuck: „Schon in kurzer Zeit hat sich viel bewegt. Beim ersten Mal haben wir ja noch ein nahezu leeres Krankenhaus vorgefunden, das erst noch etabliert werden musste. Schnell entstanden auch persönliche Beziehungen mit den Menschen vor Ort. Im Hintergrund schwang zudem immer der Gedanke mit, dass wir uns ja immerhin in einem Ebola-Gebiet aufhielten. Wir mussten ständig damit rechnen, dass etwa der Flughafen geschlossen wird und unsere Heimreise dadurch gefährdet ist. Aber schließlich ist während der Einsätze niemand von uns ernsthaft erkrankt und alles ist gut gegangen.“

Wie sind Ihnen die Menschen, denen Sie helfen konnten, begegnet?

Julia Heuck: „Mit einer enormen Dankbarkeit für unser Team und für Dr. Elmar Nick, der bereits auf seinen 28. Einsatz zurückblicken kann. Mit seiner Erfahrung als Teamchef ist er eine riesengroße Stütze für alle. Wir waren auch anwesend, als das Krankenhaus offiziell durch den Bischof eingeweiht wurde. Dadurch konnten wir die öffentliche Aufmerksamkeit für die Arbeit des Krankenhauses noch etwas steigern.“

Stehen die nächsten Einsätze schon an? Was nehmen Sie mit für die Zukunft?

Julia Heuck: „Die Termine für 2023 stehen zwar noch nicht fest, aber ich bleibe dem Projekt sehr verbunden, da ich ja auch für „Apotheker ohne Grenzen“ involviert bin. Ich empfinde nach den Einsätzen vor allem Dankbarkeit, für das, was ich hier daheim habe. Meine Selbstwahrnehmung hat sich verändert. Trotz aller Anstrengungen habe ich eine Menge gelernt, das mir hilft, die Welt um mich herum besser zu verstehen.“

Apothekerin Julia Heuck bespricht im ugandischen Jinja mit einem Patienten die postoperative Medikamenten-Einnahme. (Foto: Anna Herzog)

 

Oktober 2022

Aktuelle Fotos aus Jinja

Apothekerin Julia Heuck, die derzeit mit Kolleginnen und Kollegen im ugandischen Jinja im Einsatz ist, sendete Ende Oktober aktuelle Eindrücke per Foto. Bislang konnte das Team schon rund 30 Personen operieren.

 

(Fotos: Heuck / Kaminski)

 

Auf zum nächsten Interplast-Einsatz

Die gepackten Koffer stehen zum Teil schon bereit bei den SAH-Mitarbeitern, die am 23. Oktober zum nächsten Interplast-Einsatz nach Afrika starten. Svenja Schieren und Anna Herzog, beide Operationstechnische Assistentinnen in der OP-Pflege des Hauses, fliegen gemeinsam mit Apothekerin Julia Heuck und dem Anästhesisten Rolf Overs-Frerker ins ugandische Jinja, direkt am Viktoriasee gelegen. Im Lamu Hospital unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen die Arbeit der Hilfsorganisation Interplast für Menschen, die an Verletzungen, unfall- oder krankheitsbedingten Fehlstellungen leiden.

Für Schwester Svenja übrigens schon der fünfte Einsatz dieser Art in Afrika: „Das ist immer wieder eine tolle Teamerfahrung.“ Ihre Kollegin Schwester Anna hat Svenja offenbar mit ihrem Enthusiasmus schon infiziert: „Ich bin im positiven Sinne aufgeregt und freue mich bereits sehr auf die Reise. Dazu motiviert wurde ich vor allem von meiner Kollegin und ihren Berichten, die mich immer wieder begeistert haben. Jetzt bin ich froh, dass es für mich einmal geklappt hat.“

Das Team besteht diesmal aus insgesamt sieben Personen. Mit von der Partie sind noch die beiden Plastischen Chirurgen Dr. Elmar Nick und Dr. Jan Wynands sowie Dr. Theresa Kaminski, eine frühere SAH-Anästhesistin.

Rolf Overs-Frerker zum Engagement des Teams blickt optimistisch nach vorn: „Wir konnten aus den beiden vergangenen schon Einsätzen eine Menge lernen. Und wir werden noch nachhaltiger sein können. Bereits zwei Wochen nach uns kommen Mitglieder einer weiteren Hilfsorganisation, die unsere Arbeit fortführen. Die Kollegen können die Patienten, die wir schon versorgt haben, dann nochmals nachträglich begutachten.“

Auch Apothekerin Julia Heuck ist voller Vorfreude: „Bislang klappt die Zusammenarbeit mit allen Hilfsorganisationen ausgezeichnet. Es ist schön zu beobachten, was sich im Laufe der Zeit alles positiv verändert hat, seit ich das erste Mal vor Ort war.“

(v.l.n.r.) Rolf Overs-Frerker, Julia Heuck, Anna Herzog und Svenja Schieren


August 2022

In der tropischen Hitze Ugandas liegt zwischen Zuckerrohrplantagen mit Blick auf den Victoriasee das LAMU Hospital Jinja, welches zu Beginn dieses Jahres die Patientenversorgung aufgenommen hat. Zu diesem operativen Krankenhaus ist Ende Juli ein deutsches Team der Organisation Interplast aufgebrochen. Interplast hat sich zum Ziel gesetzt, den Zugang von Patientinnen und Patienten mit entstellenden Fehlbildungen und Verletzungen zu rekonstruktiver plastischer Chirurgie zu ermöglichen. Dazu werden regelmäßig Einsätze in den armen und ärmsten Ländern der Welt durchgeführt, bei denen den Betroffenen eine kostenlose Behandlung angeboten wird, die sie sich andernfalls nicht leisten könnten. In vielen Fällen besteht für die Patienten allerdings ohne die Arbeit von Interplast aufgrund eingeschränkter Infrastruktur und fehlender Expertise ohnehin nicht die Möglichkeit, die teilweise hochanspruchsvollen Operationen zu erhalten.


Nachdem in den letzten Jahren erfolgreich ein Krankenhaus in Nepal soweit unterstützt wurde, dass die lokalen Fachkräfte dort inzwischen eigenständig den Betrieb aufrechterhalten, wurde es Zeit, das Engagement auf andere Orte zu konzentrieren. Nach den durch die Pandemie bedingten Einschränkungen konnte das neuste Projekt in Uganda nun soweit vorangetrieben werden, dass die ersten Patienten im LAMU Hospital operiert wurden. Bislang handelte es sich dabei überwiegend um geburtshilfliche Eingriffe, die von den lokalen Fachkräften durchgeführt wurden. Durch den aktuellen 10-tägigen Einsatz des Teams von Interplast Germany soll nun der Grundstein dafür gelegt werden, das Spektrum des Krankenhauses zu erweitern, um in Zukunft regelmäßig rekonstruktive Chirurgie anbieten zu können. In den ersten Tagen des jetzigen Einsatzes wurden mehr als 100 Patientinnen und Patienten gesichtet, von denen 20 bis 30 in den nächsten Tagen operiert werden sollen, darunter zu einem großen Teil Kinder. Weitere sollen in den folgenden Einsätzen die Chance auf eine Behandlung bekommen. Viele der Betroffenen haben bei Unfällen Gliedmaßen verloren und aufgrund unzureichender chirurgischer Versorgung schlecht abgeheilte Stümpfe, die die Anpassung einer geeigneten Prothese verhindern. Durch die operative Korrektur der Amputationsstümpfe soll dies nun möglich gemacht werden, um Integration und Eigenstandigkeit der Betroffenen zu verbessern.


Von den Krankenhausmitarbeitenden vor Ort erfahren die Einsatzkräfte von Interplast, dass Kinder mit Behinderung in Uganda häufig von ihren Familien versteckt werden, da man sich für sie schäme. Der Besuch einer Schule ist dadurch für viele ausgeschlossen. Durch die Operation soll den Kindern deshalb nicht nur Erleichterung im Alltag, sondern eben auch Zugang zum Bildungswesen ermöglicht werden. Auch Personen mit schweren Verbrennungen leiden häufig nicht nur unter den teilweise massiven Bewegungseinschränkungen durch Narbenbildung, sondern aufgrund der Stigmatisierung durch die entstellenden Verletzungen auch unter sozialer Ausgrenzung. Deshalb wird ein großer Anteil der Operationen der Wiederherstellung von Verbrennungsopfern dienen. Weitere Operationen betreffen Kinder mit angeborenen Fehlbildungen wie Spina bifida, eine Erkrankung, die in Deutschland heute nur noch selten vorkommt.

Zu dem fünfköpfigen Team aus Deutschland gehören auch Rolf Overs-Frerker und Nicolas Hall, zwei Narkoseärzte aus dem St.-Antonius-Hospital Eschweiler. Overs-Frerker hat in der Vergangenheit bereits zahlreiche Hilfseinsätze in Afrika und Asien begleitet. Routine ist ein solcher Einsatz trotzdem nie. "Man muss sich an jedem Ort auf neue Bedingungen einstellen und die zur Verfügung stehenden Geräte, Materialien und Medikamente können sich an jedem Standort immens unterscheiden." Während in Deutschland während der Narkose in der Regel eine Maschine die Beatmung übernimmt, müssen die Anästhesisten in Jinja ohne eine solche auskommen und die Beatmung von Hand durchführen. Es gibt zwar bereits ein Beatmungsgerät, aber das benötigt zum Betrieb Druckluft und die fehlt noch im Krankenhaus. "Wir hoffen, beim nächsten Einsatz einen Kompressor mitnehmen zu können, um die Maschine ans ans Laufen zu bringen. " Für Hall ist es der erste Einsatz mit Interplast. Nach ein paar Tagen hat aber auch er sich an die fremden Arbeitsbedingungen gewöhnt. "Man lernt recht schnell, mit den regelmäßigen Stromausfällen umzugehen. Und da man hier ohnehin weniger Geräte hat, die bei der Arbeit unterstützen, fällt es auch nicht so auf, wenn mal kein Strom da ist."


Die Behandlung der vielen Kinder macht dem ganzen Team Freude. "Kinder erholen sich oft schnell von Operationen und es ist schön zu sehen, wie tapfer die Kleinen mit ihren Behinderungen umgehen. Es ist aber auch wunderbar, den Erwachsenen die Chance auf ein neues Leben zu geben, wie zum Beispiel der Frau, die nach einem Säureangriff ein Auge verloren und Verätzungen im gesamten Gesicht und Oberkörper erlitten hat. Sie fragte am Tag nach der Operation im Gesicht bereits, wann Interplast zum nächsten Mal komme, damit die anderen vernarbten Stellen ebenfalls versorgt werden können."


Wenn alles nach Plan verläuft, wird schon im Oktober ein weiteres Team von Interplast nach Uganda reisen, darunter auch Overs-Frerker. Es gibt immer genug zu tun und das Team freut sich, einen Beitrag zum Aufbau des Krankenhauses zu leisten und das Projekt beim Wachstum zu begleiten.